Wenn man wie ich Möbel aufarbeitet und streicht um sie hinterher zu verkaufen, sollte man vorher überlegen, wie viel Zeit man hineinstecken kann, damit sich das Ganze überhaupt noch auszahlt. Berechnet man die Zeit, das Stück zu finden, es abzuholen, es aufzuarbeiten, zu streichen und dann zu fotografieren, einzustellen, zu verkaufen, dann muss man in vielen Fällen sagen, nein, Möbelstreichen lohnt sich nicht.
Das Möbelstück, das ich kürzlich abgeholt habe, würde sich in keinem Fall rechnen. Die Zeit, die in dieses Stück gegangen ist, waren Tage. Diesen Aufwand kann niemand bezahlen.
Aber ich möchte hier im Blog ja auch zeigen, was man aus alten Möbelstücken noch herausholen kann. Und dass sich die Zeit und Mühe lohnt, gerade wenn man nicht auf einen Verkauf aus ist sondern für sich selber arbeitet. Und deshalb habe ich diese Kommode angenommen.
Ich zeige euch heute, wie viel Arbeit man in ein solches Teil stecken muss, damit es wieder gut aussieht. Ob es sich lohnt?
Die Kommode hat sehr viele Schadstellen. Eine Ecke ist an der Deckplatte herausgebrochen.
Ein Teil der Zierleiste fehlt.
Die Verzierungen an der Seite sind defekt.
Auf der anderen Seite war wohl ein Hundewelpen aktiv?
Der Beschlag der mittleren Schublade fehlt, dafür gibt es diverse Löcher.
Wurmlöcher gibt es überall und auf der Unterseite der Kommode ist Schimmel. Ein Möbelgriff fehlt und Schlüssel sind nicht vorhanden. Die Schubladenführungen an der Unterseite der Schubladen sind so alt, dass sie sich selber rund abgeschliffen haben.
Die Laufleisten im Inneren sind total ausgeschliffen.
Dadurch kippt die Schublade leicht nach vorne, wenn man sie öffnet.
Eine Menge Arbeit. Als ich mir das Möbelstück genauer angesehen hatte, habe ich mich schon gefragt, warum zur Hölle man sich diese Arbeit machen sollte. Und doch habe ich sie mitgenommen.
Ich beginne damit, den Schimmel auf der Unterseite zu entfernen. Ich benutze dafür Isopropanol (Achtung Handschuhe und Maske tragen und gut lüften).
Dann säubere ich das ganze Möbelstück erst einmal richtig gründlich, innen und außen. Dabei fallen mir Wurmspäne im Inneren auf. Damit hatte ich nun gar nicht gerechnet. Ob ein Wurm noch aktiv ist oder nicht, weiß man erst, wenn man das Möbelstück eine Weile stehen lässt. Bildet sich neue Späne, muss man aktiv werden. Ich möchte nicht warten und gehe auf Nummer sicher. Ein Wurm-Ex aus dem Baumarkt hilft zuverlässig. Ich trage die erste Schicht mit einem Pinsel auf, warte 24 Stunden und streiche dann eine weitere Schicht.
Zwischenzeitlich entferne ich die Griffe und schaue ich mir die fehlende Leiste auf der Schublade an. In meiner Resteschublade habe ich ein passendes Stück, das ich ganz einfach zusäge. Es ist ein Tick zu breit, ich werde es durch Schleifen später anpassen.
Auf einer anderen Schublade sind die Leisten zwar vorhanden, aber stark beschädigt. Ich entferne diesen Teil und setze auch hier eine neue Leiste ein.
Nachdem die zweite Schicht Wurmex getrocknet ist, geht es an die Ausbesserungsarbeiten. Die Schlüssellöcher verspachtel ich, da ich weder den Schlüssel noch einen dritten passenden Beschlag habe. Ich bringe später neue Griffe an. Die Wurmlöcher und einfache Schadstellen fülle ich mit normalem Holzspachtel.
Nun zu den großen Schäden. Ich werde diese mit Presto auffüllen. Da ist ein 2 Komponenten Spachtel, der schnell und super fest aushärtet. Er wird einfach angemischt (Achtung: Schutzkleidung und Lüftung!). Der Vorteil ist die super schnelle und harte Trocknung.
Man muss zügig arbeiten, es gibt ein ungefähres Zeitfenster von 30 Minuten. Ich fülle alle größeren Schäden, darunter die Kante oben und die Schubladenführungen mit Presto.
Für den größten Schaden an der linken unteren Seite muss ich die komplette Rundung nachbauen. Das geht am einfachsten, wenn man sich eine Art Silikonform als Muster baut. Hat man ein passendes intaktes Gegenstück, kann man dort die Form abnehmen. Da die Rundung auf der rechten unteren Seite einigermaßen intakt ist, nehme ich mir dort die Form ab.
Dazu reibe ich zunächst ein kleines bisschen Öl (Speiseöl oder auch Hanföl, egal was) auf die Stelle. Dann nehme ich meine Klebepistole und setze die Klebe richtig dick rund um die bestehende Form.
Das Ganze lasse ich trocknen und ziehe es dann ab. Durch das Öl lässt es sich ganz einfach lösen. Und schon habe ich eine Form für die andere Seite!
Diese Form fette ich innen zunächst auch wieder mit Öl ein und fülle sie dann auf mit Presto. Solange das Presto noch formbar ist, drücke ich die Form an meine Schadstelle.
Richtig gut trocknen lassen, Form abziehen, fertig! Da auch das Gegenstück auf der anderen Seite nicht perfekt war, ist auch diese Seite natürlich nicht hundertprozentig. Ich fülle also Schadstellen nun noch einmal mit normalem Holzspachtel auf.
Wieder trocknen lassen, dann rund schleifen. Immer wieder nachfüllen mit Spachtel, bis die Rundung gut ist.
Dann weiter zu den Schubladen. Zunächst fixiere ich lose Teile.
Da die unteren Kanten der Schubladen sehr ausgeschliffen sind, müssen sie erneuert werden. Auf dem Bild unten sieht man, dass die Schublade durch die glatte Seitenführung nicht mehr korrekt sitzen kann, sie lässt sich nicht mehr vernünftig öffnen und schließen.
Da es aber zu kompliziert wäre, diese Rundung zu reparieren, behelfe ich mich mit einem Trick: Ich setze einfach neue Laufleisten an beide Seiten der Schublade und ebenso neben die vorhandenen Laufleisten im Inneren der Kommode.
Auch die Auflageflächen an der Kommode, dort wo die Schublade entlang läuft, werden Schubladenführungen erneuert werden. Die Schubladen sind so lange im Betrieb, dass ihre Führungen komplett abgeschliffen sind. Ich klebe sie einfach mit Holzkleber ein.
Das Gröbste ist geschafft. Nun geht es ans Abschleifen. Alle Presto Füllungen müssen sorgfältig glatt geschliffen werden. Das Presto ist sehr hart und es ist nicht ganz einfach, es zu schleifen. Wenn ich ein neueres Möbelstück streiche, reicht ein kurzes Anschleifen, um der Farbe das Haften zu erleichtern. In diesem Fall schleife ich die restliche Kommode sehr sorgfältig an, denn die Oberfläche braucht eine Menge Zuneigung.
Da ich das Möbelstück hell streichen will, grundiere ich es zunächst mit einer Grundierung mit Sperrwirkung.
Kaum war sie getrocknet, hatte ich mich auch entschieden, doch dunkel zu streichen - ich hätte mir diesen Schritt also sparen können. Ich streiche nun zwei Schichten dunkelgrau (Gravel Road von Dixie Belle Paint) und setze dann noch eine Schablone auf die Schubladen (Flower Power Schablone von mir).
Das sieht schon mal gut aus, aber irgendwie wirkte es in meinen Augen zu "flach". Etwas Tiefe wäre schön, also entschied ich mich dazu, noch eine dunklere Farbe einzusetzen und beide Töne miteinander zu verblenden. Außerdem wird die Schablone auch auf der mittleren Schublade fortgeführt.
Eine Anleitung zum Blending findet ihr hier.
Die beiden Farbtöne harmonieren super miteinander und waren sehr einfach zu verblenden. Die Seiten der Schubladen bekommen nun auch noch die gleiche Schablone.
Das Innere wird mit Tapete ausgelegt und die Holzseiten werden mit Dixie Belles Big Mamas Butta aufgefrischt. Neue Griffe (hier habe ich eine Anleitung, wie ich sie ohne Bohrschablone mittig angebracht habe) und fertig ist meine Kommode.
Die Tapete in den Schubladen gefällt mir super und sie passt hervorragend.
Die schablonierten Seiten harmonieren mit der Front.
Gefällt sie euch? Die Arbeit hat sich gelohnt, allerdings eher wenn man sie selber behalten möchte. Für einen Verkauf, der die aufgewendete Zeit vergütet, müsste man einen Riesenpreis aufrufen, den wahrscheinlich niemand zahlen würde. Trotzdem hat mir das Makeover sehr viel Spaß gemacht, ich konnte euch dabei hoffentlich auch ein paar Tricks und Kniffe zeigen und ich freue mich, dieses schöne Möbelstück nun doch noch gerettet zu haben.
Lohnt sich der Aufwand nun, ein Möbelstück so zeitaufwendig auf zu arbeiten? Ich kann die Frage heute und bei diesem Stück klar mit JA beantworten. Die Kommode ist verkauft. Aber das ist nicht das Wichtigste. Das Wichtigste ist, dass sie eine neue Besitzerin glücklich macht (und das tut sie) und dass sie weiter in Benutzung ist.
Also ja.
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